Mit Guttertown startet ein weiterer US-Import Titel im Plem Plem Productions Verlag.
Wenn man nur das Heft in der Hand hält und sich die Vorderseite und Rückseite anschaut, ahnt man nur so grob, was einen in diesem Heft erwarten könnte. Die fette Beat Anlage auf der Rückseite spricht dafür, dass das Heft irgendwie was mit krassen Beats zu tun hat. Die freizügige Dame, die von Tentakeln eines Oktopus umgeben wird, deutet darauf hin, dass es in dem Heft Richtung Cyberpunk gehen könnte.
Ich habe dieses Heft quasi einfach bestellt und lasse mich überraschen, wie es mir gefallen wird.
Guttertown Nr. 1
Es ist das erste Heft von Casey Silver und Dimitrios Macheras, welches im Kleinstverlag 80% Studios in Seattle erstmalig erscheint.
Für 4,90 € gibt es auf nur 20 Seiten recht kurzweilige und schnell durchgelesene Unterhaltung.
Als kleinen Beigeschmack enthält das Heft jeweils eine von drei Klapp-Sammelkarten, welche je zwei verschiedene Charakterprofile aus dem Guttertown Universum vorstellen.
Hier nun die Storyangabe vom Verlag:
Davron ist einer der angesagtesten Underground-Beatfighter der Stadt. In diesen eindrucksvollen Straßenkämpfen treten die Jugendlichen von Dendrite gegeneinander an. Als Preis winken Geld, Ruhm und ein Ausweg aus dem trostlosen Leben zwischen gigantischen Citywork-Slums und gefährlichen Freaks und Verbrechern. Doch der Weg ist voller Hindernisse und Versuchungen. Und welche Rolle spielt Reno, Devrons Freund aus Kindetagen?
Casey Silver und Dimi Macheras erschaffen mit GUTTERTOWN eine völlig eigene Welt aus Musik, Drogen und Beat ’em up, die den Leser in einen Moment mitten in einen neonfarbenen Rave aus Bass und Sounds stellt, nur um ihn wenige Seiten später in die schmutzigen Straßenslums Dendrits zu ziehen.
Kennt ihr den Film Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt?
Dort gibt es eine Szene, in der auf zwei Bühnen gegeneinander musikalisch gebattlet wird. Dieses Heft erinnert mich an diese Szenerie. Das war zumindest mein erster Gedanke beim Lesen.
Vielleicht kommt dem Leser bei den Beats noch der Gedanke an Street Fighter. Die aufgezogenen Kämpfe könnten bei dem ein oder anderen auch diesen Gedanken assoziieren.
Auf schwarzen Grundfarbigen Seiten treffen grelle knallige farbige Töne, wenn die Beats losgehen.
Die Atmosphäre dieses Heftes verbindet Cyberpunk mit apokalyptischen Ambiente.
Die Welt von Guttertown ist rau, räudig und gefährlich. Drogen äußern sich in dieser Welt durch Musik. Die beidseitige Seite in der Mitte des Heftes zeigt sehr deutlich das triste alltägliche Nachtleben der Stadt. Der Leser erhält durch diesen Kniff einen hervorragenden Eindruck der in Armut lebenden Bewohner, wie sie ihr Leben ohne richtigen Sinn „verplempern“.
Da ist es nur zu offensichtlich, dass sich die Bewohner in eine Fantasiewelt flüchten.
Die Zeichnungen wirken gerade während der musikalischen Szenerie äußerst dynamisch.
Da der Leser die Musik ja nicht hören kann, spürt er quasi dieses visuelle Feedback der Musik in den Augen. Sound und Speedlines sind gekonnt gesetzt.
Schaut euch dieses Youtube Promo Video an, um einen coolen Eindruck über diese Heftserie zu bekommen.
Die Story an sich wird interessant, denn Davron hat Familie. Eine Mutter und einen Bruder. Das Leben ist nicht leicht für die Familie in den Slums.
Sind die musikalischen Drogen für Davron der einzige sinnvolle Ausweg aus der Armut herauszukommen und das Leben zu genießen?
Sein Bruder würde so gerne mal mitkommen, doch seine Mutter erlaubt dies nicht.
Davron hat es drauf zu dancen, doch die Breaks von Reno sind weitaus besser. Reno wird seinem Ruf als gefürchteter Generator der Raver Szene mehr als gerecht. Ausgerechnet Reno hat Davron einen Vertrag angeboten. Davron lehnt jedoch ab. Es scheint ihm nicht clever zu sein, sich an die Spitze zu mogeln.
Als ich dieses Heft zum ersten Mal gelesen habe, war ich mir nicht wirklich sicher, was ich davon so halten soll.
Je mehr ich aber darüber nachdenke, während ich diesen Bericht schreibe, desto besser gefällt mir dieses kleine Heft.
In diesem Sinne, ein interessantes Heft, mit welchem der Leser eventuell erst warm werden muss, ehe er richtig Gefallen daran findet.
Ich bleibe jedoch am Ball und warte gespannt auf die kommenden Hefte.
Schlecht ist dieses Heft jedoch keineswegs.
Vielleicht liegt es auch daran, dass Cyberpunk, Steampunk, Wasteland bzw. postapokalyptische Storys für mich nicht unbedingt immer leicht zugängliche Kost sind.
Wie so oft im Leben sind Geschmäcker verschieden.
Guttertown ist keine typische Comickost. Selbst dann, wenn man schon verschiedene postapokalyptische Szenarien kennt. Doch ist Guttertown nicht einfach nur ein Szenario, welches in einer düsteren Zukunft spielt, in der die Menschheit mal wieder um das Überleben kämpft, sondern auch ein persönliches Drama.
Denn wie mein Blogkollege bereits andeutete, ist die Hauptfigur Devron nicht nur drogenabhängig. Er ist auch für seine Familie verantwortlich und hat eiserne Prinzipien. Doch er möchte auch gerne erfolgreich werden, allerdings nicht auf die gleiche Art, wie sein ehemaliger bester Freund Reno. Die ehemalige Freundschaft zwischen Devron und Reno nimmt ebenso einen großen Teil der Geschichte ein, und erweitert so die Handlung um weitere interessante Facetten.
Optisch ist Guttertown ebenso abwechslungsreich wie in der Handlung. Die zumeist düstere Welt wird nur von den bunten Battles durchbrochen. Die Figuren sind gut charakterisiert und leicht wieder zu erkennen.
Aber Guttertown ist ein Comic, den man mehrmals lesen sollte, damit sich einem die gesamte „Schönheit“ offenbart. Denn nach dem ersten Durchlesen war ich ehrlich gesagt ein wenig ratlos und verwirrt, weil ich nicht so recht wusste, was ich da jetzt wirklich gelesen habe. Doch nach wiederholtem Lesen gab sich das und es offenbarte sich eine faszinierende Welt mit interessanten Figuren und erschreckend realen Problemen.
Ich kann Guttertown wärmstens empfehlen, nicht nur wenn man sich dem Genre verbunden fühlt, sondern auch wenn man eine Herausforderung sucht. Denn diese stellt Guttertown in gewissem Maße schon dar. Dafür erhält man aber auch einen Comic, wie es ihn nicht alle Tage gibt.
Dieses Heft gibt es am besten direkt beim Verlag oder bei euren Comic Dealern zu kaufen.
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