2020 Visions Band Nr. 1 [Dantes Verlag, September 2020]

Immer wieder gibt visionäre Werke, die massiven Einfluss auf die Gesellschaft haben. George Orwells „1984“ ist zum Beispiel ein solches Werk, in dem die Überwachung des Staates fast schon vorhergesagt wurde. Allerdings liese sich hier hervorragend darüber streiten, ob dies auch passiert wäre, wenn es Orwells Roman nicht gegeben hätte. In eine ähnliche Kerbe schlägt nun der erste Band von Jamie Delanos „2020 Visions“ …

2020 Visions Band Nr. 1

Autor/in: Jamie Delano
Zeichner/in:
Frank Quitely, Warren Pleece
Format:
Hardcover
Umfang:
156 Seiten
Inhalt:
2020 Visions (1997) 1-6
Verlag:
Dantes Verlag
Preis:
22,00 Euro

Das Jahr? 2020! Der Ort? Manhattan! Die Gesellschaft? Zweigeteilt!
Wenn du nicht dazu passt, hast du innerhalb der sicheren Mauern nichts zu suchen und gehörst zum Abschaum, der außerhalb überleben muss. Außerhalb, wo das Virus wütet und jederzeit zuschlagen kann. Alex Woycheck ist einer dieser „Verlierer“ des neuen Systems, der nun seine ihm verbliebene Lebenszeit mit der Suche nach „illegalen Porno-“Klassikern““ verbringt. Zumindest bis zu dem Tag, an dem ihn das Virus erwischt.
Nicht minder positiv sieht es für die Privatdetektivin Jack Atlanta aus, die sich im von Amerika losgesagten Ex-US-Bundestaat Florida, der nun Teils Kubas ist und sich Nuevo Florida nennt, versucht über Wasser zu halten. Sprichwörtlich übrigens, denn bedingt durch die globale Erderwärmung ist ein großer Teil Floridas zu einem unbewohnbaren Sumpfgebiet geworden und wird regelmäßig von Hurricanes und Taifunen heimgesucht. Dementsprechend hoch ist die Kriminalität und Korruption und auch Jack hat ihr Laster. Doch dieser illegale Online-Cyber-Sex ist nicht billig …

Jamie Delano hat mit „2020 Visions“ ein Werk vorgelegt, welches sich nicht nur den Vergleich mit Orwells „1984“ gefallen lassen muss, sondern diesen auch gut „wegsteckt“. Wohl kaum jemand hätte 1997 beim ersten Erscheinen von „2020 Visions“ dessen erschreckend hohen Wahrheitsgehalt erwartet. Trotz alles dystopisch/melancholischen Aussichten Delanos auf die nahende Zukunft bleibt ein gewisser trockener, überwiegend schwarzer Humor erhalten. Und dann wären da noch die extrem zynischen und dennoch sehr gut charakterisierten Hauptfiguren. Alex Woycheck ist ein echtes Arschloch, aber dennoch hat man irgendwie Mitleid mit ihm, während Jack Atlanta sehr geheimnisvoll ist und sich ihre einfühlsame Seele erst nach und nach offenbart. All das angesiedelt in eigentlich bekannten Gebieten, die durch Delanos „Anpassung“ dennoch fremd und unwirklich, aber niemals surreal, wirken.

Zeichnerisch sticht zu Beginn vor allem die Arbeit von Frank Quitely heraus, auch deshalb weil er der vermutlich bekanntere Künstler von beiden ist. Quitely hat auch bereits eine beachtliche Anzahl an Werken bebildert, wohingegen man über Warren Pleece nicht allzu viel findet. Weder was sein Schaffen, noch seine Persönlichkeit betrifft.
Aber beide Künstler schaffen es gekonnt die jeweilige Atmosphäre einzufangen und den Protagonisten Leben einzuhauen, zumindest dort, wo Leben notwendig ist. Quitelys Arbeit an „Lebensgier“, so der Titel der ersten Geschichte, kommt allerdings optisch wesentlich heller und freundlicher daher. Dem gegenüber steht das sehr dunkle und fast schon traumatisierte Nuevo Florida, wo es selbst tagsüber nicht wirklich hell wird.

Was bleibt nach der Lektüre von diesem Band übrig? Zuerst einmal ein sehr ungutes Gefühl, weil man erkennt wie viele der Voraussagen ihre Erfüllung gefunden hat, auf die eine oder andere Art und dann weil die Story und Figuren einen ebenfalls merkwürdigen Grad an Realismus aufweisen. Oder einfach gesagt, dass man das Gefühl hat, sowohl die Ereignisse, als auch die Figuren sind gar nicht so fiktiv, wie sie es eigentlich sind, sondern könnten auch gut aus dem realen alltäglichen Leben stammen.
Selbst wenn man bisher mit dieser Art „Fiktion“ nichts anfangen konnte, so ist mein Tipp, schaut in den Band rein, gebt ihm eine Chance. Denn er ist nicht nur unterhaltsam, sondern kann einem auch, auf die eine oder andere Weise, die Augen öffnen.

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