1984 war ein ganz bewegtes Jahr. Katarina Witt holte bei den Olympischen Winterspielen in Sarajevo eine Goldmedaille für die DDR, Indira Gandhi wurde bei einem Attentat ermordet, mit einer groß angelegten Werbekampagne bringt Apple den Macintosh auf den Markt, Renault sorgte mit dem Espace für Aufsehen und schuf somit den ersten Kleinbus für Familien, Madonnas „Holiday“ war der Sommerhit des Jahres, während Stevie Wonder „I Just Called To Say I Love You“ sang, mit Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ erschien die bis dato erfolgreichste deutsche Kinoproduktion in Amerika und Joe Dante schickte mit Unterstützung von Steven Spielberg erstmals seine kleinen „Gremlins“ auf die große Kinoleinwand, auf der sich 1984 auch Johnny Depp in „Nightmare on Elm Street – Mörderische Träume“ zum ersten Mal ins Rampenlicht traute.
Aber das Alles hat ja nicht wirklich etwas mit Asterix zu tun. Mit Ausnahme der 2000-Jahr-Feier, der Stadt Neuss 1984. Denn diese durfte bisher als einzige Stadt eine Broschüre mit Asterix und Obelix und einer ganz offiziellen Genehmigung von Les Editions Albert/Rene veröffentlichen. Immerhin hat die Stadt Neuss gewisse Berührungspunkte mit dem Römischen Reich aufzuweisen. Denn Neuss entstand aus dem Römerlager Novaesium und einer kleinen Siedlung mit dem gleichen Namen. Das erste Mal wurde Novaesium im Jahre 69/70 n. Chr. in Verbindung mit dem Bataveraufstand erwähnt, allerdings gab es bereits Hinweise auf einer römischen Keramik, der „terra sigillata“ aus dem Jahr 16. v. Chr. Inzwischen ist Neuss eine Stadt mit Geschichte und mehr als 150.000 Einwohnern auf knapp 100 km² Fläche. Die hier vorgestellte Sonderveröffentlichung in Form einer Broschüre stellte den Abschluss der vielen Höhepunkte dar, zu denen auch die Anwesenheit des damaligen Bundespräsidenten Prof. Dr. Karl Carstens, der vierte Hansetag der Moderne, das Historische Sportfest und das Stadtfest gehörten.
Wer die Idee für dieses einzigartige Projekt hat, weiß der heute im Ruhestand befindliche Hans Mietzen, der damals Leiter des städtischen Presseamtes war, nicht mehr. Und so sagt er einfach, dass es die Idee des gesamten Teams war, auf das er auch heute noch unglaublich stolz ist. Am dankbarsten jedoch, ist er Silvia Schuster, einer seiner damaligen Mitarbeiterinnen, die den Löwenanteil an diesem Sonderband leistete. Sie führte damals in Zusammenarbeit mit einer ganzen Menge an Rechtsanwälten die Verhandlungen mit den Rechteinhabern bei Les Editions Albert/Rene. Vermutlich haben sie die angebotene Lizenzgebühr von lächerlichen 15000 Mark nicht einmal wirklich ernst genommen. Doch sie ließ nicht locker und hat mit einem vergleichbar kleinen Budget etwas ganz Großes auf die Beine gestellt.
Aus 17 der bis 1983 erschienenen 27 Bände suchte sie dann verschiedene Panels, und manchmal auch fast ganze Seiten, heraus, um mit ihnen eine neue Geschichte zu verfassen. Dabei entstanden 14 Comicseiten mit fast 100 Panels, wovon zwei neu für diese Veröffentlichung gezeichnet, oder wenigstens modifiziert wurden. Texte wurden verfasst und in Sprechblasen und Textboxen eingefügt, bis alle Beteiligten zufrieden waren.
Das Ergebnis waren 30000 Exemplare, die von 16 Mitarbeitern des Presseamtes kostenlos verteilt wurden. Sogar der damalige Wirtschaftsminister der FDP, Martin Bangemann, fragte wegen eines Exemplares nach. Es gab sogar noch ein Beiblatt, welches aber nicht allen Exemplaren beilag, mit diversen Erläuterungen zu Neuss, welches heute aber nur noch sehr schwer zu finden ist, ähnlich wie die Broschüre selbst. Denn diese ist inzwischen zu einem begehrten Sammlerstück avanciert und meist nur noch ab 20 Euro aufwärts zu finden.
Asterix in Novaesium
[Stadt Neuss, 1984]
Alles ist wie immer im gallischen Dorf unserer Helden, bis auf die Tatsache, dass es Obelix überhaupt nicht gut geht. Er steckt in einer Art Lebenskrise und deshalb empfiehlt ihm der Druide Miraculix Urlaub. Gemeinsam mit Asterix macht er sich auf den Weg, um Ferien am Niederrhein zu machen. Doch so beruhigend wie geplant läuft es vor Ort leider nicht ab. Stattdessen gibt es Streit und fast schon kriegsähnliche Zustände. Doch Asterix und Obelix wären keine gallischen Helden, wenn sie auch dies nicht meistern würden …
Die Geschichte selbst ist natürlich keine Offenbarung. Die Mitarbeiter des Presseamtes von Neuss waren aber auch keine Rene Goscinnys. Und dennoch ist eine durchaus unterhaltsame und gleichermaßen lehrreiche Story entstanden, welche mit einigen humoristischen Einlagen daherkommt. Schon alleine die erste Seite lädt zum herzhaften Schmunzeln ein. Und ich muss sogar zugeben, dass alleine in der Komposition und der Auswahl eine unheimliche Arbeit gesteckt haben muss, damit die Geschichte dennoch flüssig lesbar bleibt. An einigen Stellen merkt man zwar, schon alleine wegen der unterschiedlichen Zeichenstile und der Farbgebung, dass hier mehrere Quellen zur Auswahl standen, dies tut dem Lesespaß jedoch keinen Abbruch. Wo es keine passenden Panels gab, mussten Textboxen herhalten, um die Handlung voranzubringen.
Wie bereits erwähnt, sind die Grundlage für diese Veröffentlichung 17 verschiedene Asterix-Alben, wobei ein Großteil unter anderem aus „Der grosse Graben“ und „Asterix bei den Belgiern“ entnommen wurde. Aber keine Angst. Ich werde jetzt keinesfalls alle Alben und die jeweiligen Panels auflisten, da dies selbst mir zu viel Arbeit ist und ich nicht glaube, dass ich außerdem alles finden würde. Doch vielleicht trauen sich ja einige meiner Blogleser diese Aufgabe zu, sofern sie diesen Band besitzen, und lassen mir entweder per Mail, oder hier in den Kommentaren eine genaue Auflistung zukommen. Doch auch ohne diese Auflistung macht der Band Spaß und der Querschnitt durch fast die gesamte künstlerische Entwicklung von Albert Uderzo, ist mehr als nur sehenswert.
Auch wenn es an einigen Stellen Probleme mit Farbgebung gab, welche vermutlich eine Ursache des verwendeten Grundmaterials sind, da hier nur einzelne Panels auf jeweils einer ganzen Seite betroffen sind, bei denen mal nur eine Grundfarbe fehlt. Wäre dies ein grundsätzliches Problem beim Druck der Broschüre gewesen, so wäre jeweils die gesamte Seite in Mitleidenschaft gezogen worden.
Für die durchschnittlichen Asterix-Leser ist dieser Band nicht wirklich wichtig. Für einen eingefleischten Fan und Sammler allerdings ist es schon ein besonderes Sammlerstück. Immerhin ist dies der bisher einzige Band mit einer offiziellen Lizenz von Les Editions Albert/Rene, welcher nicht von einem eigenständigen Verlag und zu Werbezwecken entstand. Mit viel Liebe und Hingabe wurde ein kleines Werk geschaffen, welches man abseits der üblichen Veröffentlichungen betrachten sollte. Wer den band in seinem Besitz hat, wird sicherlich mit mir einer Meinung sein.
Copyright aller verwendeten Bilder © 1961-2016 Les Editions Albert Rene / Goscinny Uderzo & Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Neuss & RP Online
Die bisherigen Review-Specials:
- Asterix der Gallier
- Die goldene Sichel
- Asterix und die Goten
- Asterix als Gladiator
- Tour de France
- Asterix und Kleopatra
- Der Kampf der Häuptlinge
- Asterix bei den Briten
- Asterix und die Normannen
- Asterix als Legionär
- Asterix und der Avernerschild
- Asterix bei den Olympischen Spielen
- Asterix und der Kupferkessel
- Asterix in Spanien
- Streit um Asterix
- Asterix bei den Schweizern
- Die Trabantenstadt
- Die Lorbeeren des Cäsar
- Der Seher
- Asterix auf Korsika
- Das Geschenk Cäsars
- Die grosse Überfahrt
- Obelix GmbH & Co. KG
- Asterix bei den Belgiern
- Der grosse Graben
- Die Odyssee
- Der Sohn des Asterix
- Asterix im Morgenland
- Asterix und Maestria
- Obelix auf Kreuzfahrt
- Asterix und Latraviata
- Asterix plaudert aus der Schule
- Gallien in Gefahr
- Asterix & Obelix feiern Geburtstag
- Asterix & Friends (Browsergame)
- Asterix der Gallier (Film)
- Asterix (GameBoy/NES)
Hab den Band. Ist vor allem sehr cool für mich weil ich aus dem Umfeld von Neuss komme. Ist meine Kreisstadt hier. Hab den Band zum Geburtstag mal geschenkt bekommen. Sehr gute review von dir.
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Danke dir. An dem Artikel habe ich damals gut und gerne drei Wochen gesessen, bis er fertig war. Recherche inklusive.
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