Iron Man: Rise of Technovore (DVD) [Sony Pictures Home Entertainment, Mai 2013]

Am 2. Mai erscheint Iron Man: Rise of Technovore in Deutschland auf DVD und Blu-ray. Ich habe bereits die Chance gehabt, diesen Film zu sehen und präsentiere euch hier nun die zugehörige Review:

Iron Man DVD

  • Regisseur: Hiroshi Hamazak
  • Format: Dolby, PAL
  • Sprache: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Japanisch
  • Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Dänisch, Finnisch, Norwegisch, Schwedisch
  • Bildseitenformat: 16:9 (1.78:1)
  • FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
  • Studio: Sony Pictures Home Entertainment
  • Erscheinungstermin: 2. Mai 2013
  • Produktionsjahr: 2013
  • Spieldauer: 84 Minuten (DVD), 88 Minuten (Blu-ray)

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Der Start von Howard, dem neuen Überwachungssatelliten, der nach Tony Starks Vater benannt ist, sollte ein Highlight für Tony und die gesamte Menschheit werden. Doch der Besuch eines mysteriösen Fremden macht diesen Augenblick zunichte. Den Start des Satelliten kann der Fremde zwar nicht mehr aufhalten, aber auf seinem Weg zum Kontrollzentrum tötet er alle Menschen, die ihm begegnen. Auch Iron Man wird bei der anschließenden Zerstörung des Control-Towers stark angeschlagen und sein bester Freund Lt. Colonel James „Rhodey“ Rhodes, der als War Machine ebenfalls anwesend war, scheint sogar tot zu sein.
Da Iron Man zu diesem Zeitpunkt als einziger Überlebender dieses Vorfalls gilt, wird er kurz darauf von S.H.I.E.L.D. verhört. Doch es kommt noch schlimmer, als der Fremde sich nicht nur als Sohn eines alten Bekannten entpuppt, sondern auch noch mit einer Art Techno-Organischem Virus verbunden zu sein scheint. Ab sofort ist nicht nur das Leben von Iron Man in Gefahr. Denn der Fremde, Technovore, will die gesamte Menschheit auslöschen …

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Iron Man: Rise of Technovore bildet die Fortsetzung zur Iron Man Anime-Serie. Brandon Auman liefert einen dichten, spannenden und actionreichen Plot ab, bei dem Kenner des Marvel Universum einige Ereignisse und Personen wiedererkennen werden. Ezekiel Stane tritt zwar auch hier als Sohn von Obadiah Stane auf, doch anders als im Comic ist er nicht Iron Monger oder Iron Man 2.0. Stattdessen ist er der Träger des Technovore, der im Comic ein technologischer Parasit ist. Ezekiel wirkt hier wie ein kleines verstörtes Kind, das von seinem Vater abgewiesen wurde, und deshalb auf Rache sinnt. Tony, der mit Ezekiels Vater eng befreundet war, ist auch gleichermaßen fast so etwas wie ein Familienangehöriger. Und dennoch schafft er es nicht, den Jungen von seinem Vorhaben abzubringen. Es gibt aber auch kleinere Andeutungen, die auf Ereignisse im klassischen Marvel Universum anspielen. So wirft Rhodey in einem persönlichen Duell zwischen Iron Man und War Machine seinem Chef und Freund vor, etwas zu viel Alkohol zu sich genommen zu haben. Tony hingegen verharmlost diese Beschuldigung. Bereits in dem inzwischen klassischen Story-Arc „Demon in a Bottle“ aus US-Iron Man #120 bis #128, wurde dem Milliardär und Playboy dieses Laster vom Starautor David Michelinie auferlegt. Seitdem hat Tony immer wieder mit dem Teufel Alkohol zu kämpfen.

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Das Aussehen der Figuren bleibt dem Anime-Stil der Vorgängerserie treu. Gleiches gilt für die Gastauftritte des Punisher, der Black Widow und von Hawkeye. Diese orientieren sich, genau wie Nick Fury, stark an den Versionen aus dem ultimativen Marvel Universum und haben dadurch für die Kenner der Comics einen sehr hohen Wiederereknnungswert. Die Black Widow ist geheimnis- und reizvoll, wie eh und je, und Hawkeye kann seine vorlaute und freche Klappe nicht richtig halten. Der Punisher hingegen ist so wortkarg wie immer, während der Nick Fury hier um einiges aktiver ist, als im klassischen Marvel Universum. Nicht nur dass er wie der ultimative Nick Fury optisch an Samuel L. Jackson angelehnt ist, auch seine Handlungsweise ist wesentlich offensiver. Dieser Nick hat keine Skrupel anzupacken und sich selbst die Hände schmutzig zu machen.
Ein ganz großes Plus an der Zusammenarbeit mit dem Studio MadHouse ist die gesamte Umsetzung des Filmes. Das inzwischen weltweit bekannte Animestudio ist unter anderem für die Animeumsetzungen von „Barfuss durch Hiroshima„, sowie für Animeklassiker wie „Perfect Blue„, „Tokyo Godfathers“, „Paprika“, „Summer Wars“, „Robotic Angel“ und „Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“ verantwortlich. Klare Bilder, actionreiche Szenen und rasante Kamerafahrten, die oftmals mit gut eingebetteten CGI-Sequenzen angereichert werden, zeigen die Erfahrungen des Animationsstudios. Hier wird klar, weshalb sich Marvel ausgerechnet dieses renommierte Studio für die Zusammenarbeit ausgesucht hat. Das Anime-Studio versteht es, sowohl Technik und Action, als auch Drama und stille Momente glaubhaft umzusetzen.

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FAZIT:

Mit Iron Man: Rise of Technovore legt Marvel in Zusammenarbeit mit Studio MadHouse einen weiteren gelungenen Ausflug in das Marvel Anime-Universum vor. Der Film hat meiner Meinung nach nur mit zwei Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Erste ist, die direkte Konkurrenz und der Vergleich mit dem zeitgleich startenden Iron Man 3 in den deutschen Kinos. Mit Iron Man 3 kann und, so denke ich persönlich, will Rise of Technovore sich nicht messen. Vielmehr will er die Geschichte aus Marvel Anime: Iron Man fortführen. Und hier liegt auch die zweite Schwierigkeit. Brandon Auman tritt als Autor in die Fußstapfen von Warren Ellis. Und diese sind nicht einfach auszufüllen. Aber Auman macht seine Arbeit gut, und liefert er eine gelungene Story ab, die spannend ist und mit reichlich Anspielungen aufwarten kann. Er definiert weder Iron Man, noch Tony Stark oder irgendeine andere Figur neu. Auch bereichert er diese nicht um neue Facetten. Stattdessen nutzt er das, was ihm die Anime-Serie Iron Man an Charakterisierungen der Figuren hinterlassen hat, um eine actionreiche Geschichte zu präsentieren.
Zusammenfassend ist Iron Man: Rise of Technovore ein rundum gelungener, actionreicher und spannender, neuer Ausflug in das Marvel Anime-Universum, der schon alleine wegen der persönlichen Beziehung und den rasanten Dogfights zwischen Tony Stark als Iron Man und James Rhodes als War Machine, sehenswert ist.

Einen Charaktervideoclip gibt es hier
Und einen Mash Up-Clip hier

Copyright aller verwendeten Bilder © 2013 Sony Pictures Home Entertainment/Marvel & Subs./Studio Madhouse

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Keiji Nakazawa – Zum Tode von Gens Vater

Am 19. Dezember 2012 verstarb Keiji Nakazawa an Lungenkrebs in seinem Geburtsort Hiroshima, die seine größte Tragödie und sein größter Erfolg zugleich war. Entgegen anderslautenden Meldungen starb er aber nicht an den direkten Spätfolgen der Strahlung durch die Atombombe. Auch sein Diabetes Mellitus ist keine direkte Folge durch den Bombenabwurf auf Hiroshima. Vielmehr beruht diese auf der Mangelernährung vor und nach der Tragödie, welche nur durch rohe Kartoffeln begünstigt wurde. Daraus resultierten auch seine Netzhautschädigung des linken Auges, in direkter Folge durch die Diabetes, genau wie sein grauer Star auf dem rechten Auge, die ihn beide dazu zwangen, 2009 das Zeichnen aufzugeben. Die einzige Krankheit, welche direkt auf die Strahlung zurückzuführen wäre, ist die Leukämie, unter der Nakazawa seitdem litt.

Nakazawa AltAls viertes von sechs Kindern wurde Nakazawa am 14. März 1939 in Hiroshima als Sohn des Kunstmalers Harumi und seiner Frau Kimiyo geboren. Während zwei seiner Brüder nicht in Hiroshima weilten, als die Bombe fiel, fanden sein jüngerer Bruder Susumu der unter einem Balken eingeklemmt war, und seine ältere Schwester Eiko, die von einem Pfosten erschlagen wurde, zusammen mit dem Vater den Tod im brennenden Haus der Familie. Seine Mutter überlebte den Abwurf und gebar wenig später seine jüngere Schwester Tomoko. Aber auch sie sollte nur 4 Monate später durch die Strahlung und an den Folgen der Mangelernährung den Tod finden.
1961 zog Nakazawa, nachdem er eine Lehre als Schildermaler abgeschlossen hatte, nach Tokio und veröffentlichte dort mehrere Mangas, welche sich hauptsächlich um Sport, Science Fiction oder Samurais drehten. Nur 5 Jahre später verstarb auch Nakazawas Mutter im A-Bomben Hospital in Hiroshima. Bei der Aushändigung der sterblichen Überreste seiner Mutter, welche vorher verbrannt wurden, überkam Nakazawa unbändige Wut. Das radioaktive Cäsium hatte die Knochen seiner Mutter so stark zersetzt, das ihm nichts übrig blieb, außer einem Häufchen Asche. Normalerweise bleiben nach dem Verbrennungsprozess noch immer kleinere Knochenfragmente übrig, doch in diesem Fall leider nicht. Ab diesem Tag begann er, sich mit dem Thema Hiroshima und dem Bombenabwurf auseinanderzusetzen.

Nakazawa Neu

Es entstand eine sechsteilige Mangareihe, welche er selbst die „Schwarze Serie“ nannte. Zu diesen gehörte unter anderem „Kuroi ame ni utarete“ („Vom schwarzen Regen gepeitscht“). Nach einem Verlagswechsel begann Nakazawa erneut sich die Erlebnisse von der Seele zu schreiben. Es entstanden „Aru hi totsuzen“ („Plötzlich eines Tages“), „Nanika ga okiru“ („Es geschieht etwas“) und „Heiwa no kane“ („Friedensläuten“). Doch erst mit „Ore ha mita“ („Ich habe es gesehen“), einer autobiografischen Erzählung auf 45 Seiten erhielt Nakazawa die Chance, dieses Thema ausführlich darzulegen.

Nakazawa I Saw It

Und so entstand „Hadashi no Gen“ („Der barfüßige Gen“). Nakazawa entschied sich für den Namen Gen, weil dieser im japanischen mehrere Bedeutungen hat, welche aber alle perfekt zu seiner Erzählung und seinem Helden passten. Zum Einen steht das Schriftzeichen von Gen für „Ursprung“ oder „Wurzel“ aber auch für „Element“ und „Quelle“. Die eigentliche Intention war aber die Hoffnung, dass sein Gen einmal für das „gen“ in Ningen (Mensch) stehen würde. So erschien „Hadashi no Gen“ über einen Zeitraum von 12 Jahren von 1973 bis 1985, und wurde bisher in 10 Japanischen und englischen Bänden mit zusammen über 2500 Seiten, sowie als stark gekürzte Version in 4 Bänden, in Deutschland veröffentlicht. Der erste Versuch „Barfuss durch Hiroshima“ in Deutschland zu veröffentlichen, wurde 1982 vom Rowohlt Verlag unternommen, und stellte somit den ersten Manga in deutscher Sprache dar. Doch leider war damals das Interesse an diesem Augenzeugenbericht noch zu gering und es blieb bei nur einer Ausgabe. Doch wer jetzt Angst hat oder sich Sorgen macht, dass ihm bei der deutschen Ausgabe etwas entgeht, denn kann ich beruhigen. Carlsen hat sich bewusst auf die wesentlichen Elemente aus „Hadashi no Gen“ berufen, und nur die unwesentlichen Sachen herausgelassen. Denn Nakazawa führte den Manga weiter bis in die 50er Jahre, und wurde nicht müde, die Atomkraft, die unnötigen Kriege weltweit, und die Drogenproblematik anzuprangern. Unter dieser „Propaganda“ litt auch zusehendst sein Werk, und Carlsen tat gut daran, sich nur auf den Kern der Erzählung zu beschränken.

Nakazawa Kuppel

Zeit seines Lebens kämpfte Nakazawa gegen die Atomkraft, gegen die Kriege und auch immer wieder gegen die Lügen, welche weltweit jede Regierung ihren Bürgern auftischte. 1996 besuchte er außerdem die ebenfalls atomgeplagte Stadt Tschernobyl und ging sogar bis zum Block 4 vor, um dort die Radioaktivität mittels eines Geigezählers zu messen. Als Carlsen von 2004 bis 2005 die Vier Bände von „Barfuss durch Hiroshima“ veröffentlichte, reiste auch Nakazawa nach Deutschland. Dort stellte er bei einer Ausstellung zum Jahrestag des Abwurfes in Hannover einige seiner Werke aus.

Nachfolgend möchte ich euch mit seinem größten Werk, den vier Bänden von Carlsen, sowie den beiden Anime vertraut machen:

Barfuss durch Hiroshima Nr. 1: Kinder des Krieges [Carlsen, November 2004]
Barfuss durch Hiroshima Nr. 2: Der Tag danach [Carlsen, Februar 2005]
Barfuss durch Hiroshima Nr. 3: Kampf ums Überleben [Carlsen, Mai 2005]
Barfuss durch Hiroshima Nr. 4: Hoffnung [Carlsen, August 2005]
Barfuss durch Hiroshima (2-DVD Deluxe Edition) [Anime Virtual, April 2006]

KeijiNakazawaNakazawas „Barfuss durch Hiroshima“ ist ein Meisterwerk, welches auf einer Stufe mit Art Spiegelmans „Maus“ steht, und sich seinen Platz dort auch redlich verdient hat. Mit eindringlichen Bildern und ebenso gefühlvollen Worten vermittelt er jene Angst, welche ihn persönlich in seiner Kindheit begleitet hat. Noch viel mehr als in „Maus“, stehen hier die Emotionen im Vordergrund und dennoch entsteht durch die von ihm gewählte Erzählweise ein Stück weit Distanz. In meinen Augen gehört „Barfuss durch Hiroshima“ mit zu jenen Werken, welche unbedingt auch in Schulen genutzt werden sollten, um Geschichte interessanter und anschaulicher zu gestalten. Denn Schulbücher an sich mögen zwar informativ sein, aber es fehlen die Emotionen und die Spannung durch Einzelschicksale. Und nur wenn diese vermittelt werden, dann besteht die Chance, das Gelernte zu verarbeiten und aus diesen Fehlern zu lernen. Selbst wenn es irgendwann dazu kommt, Nakazawa wird es nicht mehr erleben dürfen. Sein Tod mit nur 73 Jahren ist tragisch.

Ich hoffe, dass ich mit diesem Special, welches zu großen Teilen meine eigene Meinung widerspiegelt, es geschafft habe, weitere Leser für dieses Meisterwerk zu begeistern. Des Weiteren wünsche ich mir natürlich auch, dass sich solch eine Gräueltat nicht wiederholen wird, und das Nakazawa mit seiner Erzählung das Bewusstsein gegen die Entwicklung und den Einsatz von Atomwaffen bestärkt. Es wäre wirklich ein ganz großer Schritt nach vorne, wenn die Menschheit erkennen würde, dass Kriege niemals eine Lösung für einen Konflikt darstellen, sondern immer, und wirklich immer, nur Opfer fordert. Es kann nie einen Sieger geben, solange Menschenleben dafür geopfert werden müssen.

Nakazawa Banner

Keiji Nakazawa hat nun seinen Frieden hoffentlich gefunden und ist wieder vereint mit seiner Familie. Möge er in Frieden ruhen, und mögen seine Erlebnisse und Erzählungen nicht ungehört verhallen, sondern die Menschen berühren und zum Umdenken bewegen.

Barfuss durch Hiroshima Nr. 1: Kinder des Krieges [Carlsen, November 2004]

Barfuss durch Hiroshima Nr. 1: Kinder des Krieges

Gen Nakaoka ist ein ganz normaler Junge. Seine Eltern lieben ihn, auch wenn sein Vater eine seltsame Art und Weise hat, dies zu zeigen. Und dann sind da noch seine drei Brüder und eine Schwester. Das Leben könnte so schön sein, wenn da nicht die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges wären. Und da insbesondere die Auseinandersetzungen Japans mit Amerika und England.
Denn wie auch ganz Japan, leidet Gens Familie unter der ständigen Angst der Bombenangriffe und der fehlenden Lebensmittel. Der Kaiser hat seine Untertanen darauf eingeschworen, dass nur ein echter Japaner, welcher zu seinem Land steht, auch die Entbehrungen ehrenhaft durchstehen würde, damit Japan siegreich aus diesem Krieg hervorgehen würde. Doch Gens Vater kennt die Wahrheit und scheut sich auch nicht, diese offen auszusprechen. Das führt aber wiederum nur dazu, dass die Familie Nakaoka ab sofort als Verräter gebrandmarkt sind, und sich die Situation noch weiter verschlechtert.
Dennoch beißen sich die Nakaokas tapfer durch ihr Leben, und es scheint gerade ein wenig aufwärtszugehen, als die bekannte B-52 Maschine mit dem Namen Enola Gay und ihrer noch bekannteren Fracht Little Boy am Himmel von Gens Heimatstadt Hiroshima auftaucht …

Das allererste, was einem bei diesem Band auffällt, ist die Art und Weise wie die Japaner untereinander, auch innerhalb der Familien, miteinander umgehen. Denn nicht nur, dass unbedingter Gehorsam gegenüber dem Kaiser und dem japanischen Reich ein Muss ist, sondern auch die Art und Weise, wie Gens Vater seine Liebe zeigt, ist alles andere als verständlich für uns Europäer. Gut, man kann jetzt sagen, dass dies eine Ausnahme innerhalb Gens Familie darstellen kann, aber im Verlauf der Geschichte erkennt man immer wieder, das Japan ganz andere Regeln und Moralvorstellungen hat, die Nakazawa auch offen darstellt. Erst als gegen Ende im Nachwort klargemacht wird, dass es sich bei Gen um den jungen Keiji handelt, wird der Blick auf das eben gelesene nochmals verändert. Denn in der Einleitung spricht Nakazawa noch sehr distanziert von seiner Hauptfigur, deren Name er bewusst aus den verschiedensten Gründen gewählt hat. Dann folgt die Geschichte, einer Berichterstattung aus einem Krisengebiet gleich, nur um dann am Ende mit eben jenem Nachwort zu einem persönlichen Familiendrama, fast schon erweitert zu werden.

Der tragische Moment.

Der tragische Moment.

Visuell ragt der Band, auch nicht an Mangas seiner Entstehungszeit, sonderlich positiv heraus. Es ist eher wie bei „Maus“, zweckdienlich und dennoch auf eine einfache und trotzdem außergewöhnliche Art faszinierend. Das heißt aber nicht, dass die Bilder hässlich oder gar schlecht sind, sondern eher im Gegenteil. Sie zeigen teilweise sogar mit erschreckenden Details das Grauen, welches zum Ende des Zweiten Weltkrieges herrschte. Ähnlich wie auch bei Art Spiegelmans Epos „Maus“ wird hier ganz bewusst mit starken und dominanten Strichen, aggressiven Schraffuren und teilweise grellen und großen weißen Flächen gespielt, wobei dies kein wirkliches Spiel mehr ist. Die Landschaften sind erschrecken realistisch, wohingegen die Menschen oftmals wie Karikaturen wirken. Das ist aber auch von Nakazawa gewollt, denn trotz allen Ernstes, scheint es so leichter zu sein, das Geschehene zu verarbeiten, wie es auch Spiegelman mit seinen Mäusen und Katzen getan hat. Gen ist genau wie sein Vater und sein Bruder immer ein wenig überspitzt dargestellt. Einzig seine Mutter wirkt noch ein wenig reeller, als der Rest der Familie: zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als Little Boy einschlägt. Denn ab dann überschlagen sich nicht nur die Ereignisse, sondern auch förmlich die Bilder. Sie wirken chaotisch und verzweifelt. Hilflos und von Angst durchzogen. Hier hat Nakazawa seine ganzen Erlebnisse einfließen lassen. Dies spürt man, auch ohne zu diesem Zeitpunkt zu wissen, wie nah Nakazawa der Tragödie wirklich war.

FAZIT:

„Barfuss durch Hiroshima“ ist nicht umsonst ein weltweit anerkanntes Meisterwerk. Keiji Nakazawa erzählt eindrucksvoll aus seiner eigenen Vergangenheit, schafft es aber dennoch so viel Distanz, zwischen sich und seiner Hauptfigur Gen, aufzubauen, dass es nicht wie ein persönliches Drama, sondern eher wie ein journalistischer Augenzeugenbericht wirkt. Dennoch sind die Emotionen in Nakazawas Erzählung immer präsent, genau wie die blutrote Sonne, das Zeichen auf Japans Flagge, die ständig und unbarmherzig über den Menschen prangt.
Das Nakazawa hier etwas geschaffen hat, das ungehindert in allen Bevölkerungsschichten und Regionen auf der ganzen Welt, verbreitet werden muss, hat auch Art Spiegelman erkannt, der ein Vorwort zu diesem Band verfasst hat. Denn wie Nakazawa, hat auch Spiegelman seine Erfahrungen mit dem Zweiten Weltkrieg machen müssen, auch wenn dies in seinem Fall „nur“ indirekt war.

Barfuss durch Hiroshima Nr. 2: Der Tag danach [Carlsen, Februar 2005]

Barfuss durch Hiroshima Nr. 2: Der Tag danach

Hiroshima liegt in Schutt und Asche. Überall streifen schwer verwundete umher. Verwirrt, verletzt und auf der Suche nach Wasser und Hilfe. Gen kann das Ausmaß der Tragödie noch gar nicht begreifen, als seine Mutter Kimie ihn bittet, sich auf die Suche nach ein wenig Reis zu machen. Denn wenn er keinen Reis auftreiben kann, dann würde seine gerade erst geborene Schwester sterben müssen. Also nimmt Gen all seinen Mut zusammen und macht sich auf die Suche nach etwas Nahrung.
Unterwegs trifft er dabei auf einen Soldaten, der erst ihn retten will, aber binnen kürzester Zeit selber Hilfe benötigt. Auch ein Mädchen, welches Gens Schwester Eiko verblüffend ähnlich sieht, kreuzt seinen Weg, und abermals hilft Gen bereitwillig. Doch auch diesmal ist dem Mädchen nicht ganz so einfach zu helfen, wie es anfangs scheint. Aber Gen hat noch immer keinen Reis und so geht seine Reise weiter. Immer mehr Opfer dieses feigen Anschlages begegnen ihm dabei und noch viel mehr Tragödien …

In der Einleitung und auch im abschließenden ersten Teil des Interviews macht Keiji Nakazawa deutlich, dass „Hadashi no Gen“, so der originale Titel, nicht einfach nur eine Bewältigung mit der eigenen Vergangenheit ist, sondern auch ein Mahnmal und eine Warnung. Nie wieder soll eine solche Massenvernichtung stattfinden und nie wieder, sollen unschuldige Menschen unter der Gier und dem falschen Stolz einer machtbesessenen Regierung leiden müssen. Das war und ist der Hauptgrund für sein Werk gewesen. Er hat immer wieder, ganz bewusst, Stellen eingebaut, in denen Gen gegen die Tat der Amerikaner und das Verhalten der japanischen Regierung schimpft und diese an den Pranger stellt. Und trotzdem schwingt in dieser Ausgabe sehr viel Hoffnung und auch Freude mit, da Gen niemals aufgibt und selbst in den schlimmsten Situationen noch die Kraft aufbringt, anderen zu helfen.

Hiroshima nach dem Abwurf von Little Boy.

Hiroshima nach dem Abwurf von Little Boy.

Was das Grauen angeht, legt Nakazawa in diesem zweiten Band noch eine ganze Schippe drauf. Denn die Bilder haben sich dem Künstler in sein Gehirn gebrannt und dieser brennt sie erneut in das Papier. Es ist überwältigend, wie schlimm die Ereignisse und die nahe Begegnung mit dem nunmehr alltäglichen Tod von Keiji Nakazawa geschildert werden. Und alles, ohne zu sehr auf die Tränendrüse zu drücken. Denn Nakazawa hat trotz allem und auch der Tatsache, dass dies seine eigene Vergangenheit ist, eine fast schon erschreckend distanzierte Erzählweise. Aber, und das muss man anerkennen, ist auch dies beste Wahl gewesen, um diese Erlebnisse umzusetzen. Denn durch diese Entscheidung fällt das Augenmerk nicht alleine auf Gen, auch wenn dieser die Hauptfigur ist, sondern wird immer wieder, auch visuell, von ihm reflektiert und in die Umgebung gelenkt. Oftmals ist Gen nur mit einem Arm, Bein oder dem Hinterkopf im Bild zu sehen, und der Blick wird nur von ihm getragen, aber nicht auf ihn gelenkt.

FAZIT:

Auch „Der Tag danach“, der zweite Band von Keiji Nakazawas monumentalen Epos um das tragischste Ereignis Japans im 20. Jahrhundert, begeistert wieder auf voller Linie. Und das, obwohl sich dieser Band eher ruhig gibt. Er ist nachdenklich und verstörend, und vermittelt dennoch so viel Lebenskraft und Energie, dass es einen im Innersten trifft. Der Autor und Überlebende von Hiroshima schafft es fast, eine Art Tagebuch zu schreiben, und dies spannend und mitreißend zu präsentieren, ohne das Wesentliche aus dem Blickfeld zu verlieren. Die Tragödie und die Vorwürfe gegen zwei Regierungen, die den Krieg und die Auseinandersetzung ganz bewusst und zielgerichtet auf dem Rücken von Unschuldigen ausgetragen haben.

Barfuss durch Hiroshima Nr. 3: Kampf ums Überleben [Carlsen, Mai 2005]

Barfuss durch Hiroshima Nr. 3: Kampf ums Überleben

Was bleibt einem übrig, wenn die halbe Familie tot und das Haus in dem man bis dahin aufgewachsen ist, nur noch ein Haufen Schutt und Asche? So denkt auch Gen und deshalb zieht er mit seiner Mutter nach Ebo zu Freunden. So sollte es zumindest sein. Denn die Freundin seiner Mutter heißt die stark dezimierte Familie zwar willkommen, aber deren Familienangehörige, die sich aus zwei Kindern und der Schwiegermutter zusammensetzt, hat ganz andere Pläne mit den „Schmarotzern“. So kommt es auch, dass sich die Drei binnen kürzester Zeit auf der Straße wiederfinden.
Aber Gen lässt sich nicht unterkriegen. Und obendrein hat er noch genug Energie um anderen zu helfen. Auch zum Leidwesen seiner Mutter. Denn als Gen mit einem Jungen auftaucht, der seinem verstorbenen Bruder Seiji zum Verwechseln ähnlich sieht, und der ebenfalls keine weitere Familie hat, muss sie sich entscheiden. In ihrem sicheren Zuhause zu bleiben und den Jungen zu verstoßen, oder ihn aufnehmen und dafür ihr Heim zu riskieren …

Erneut stellt Keiji Nakazawa nicht das alleinige Schicksal von Gen in den Mittelpunkt, sondern vielmehr das seines Umfeldes. Gen ist zwar auch hier wieder ständig präsent und motiviert mit seinem fast schon naiven Gemüt auch noch die letzten Energiereserven, aber dennoch wirkt er nie dominant. Vielmehr ist Gen der gute Geist, der irgendwo in uns allen innewohnt, und manchmal auch heraus darf. Doch was steckt dahinter? Nakazawa ist nicht der Typ Mensch, der subtile Botschaften in seinen Werken versteckt. Vielmehr sagt er klar und deutlich, was ihn stört. Und diese deutliche Sprache, sowohl in Wort als auch in Bild, nutzt er bei „Barfuss durch Hiroshima“. Am deutlichsten zeigt sich dies, als Gen erneut das Wohl eines anderen Menschen über das eigene stellt. Zwar wird diese Situation aus einer Notlage heraus geboren, aber zum wiederholten Male kann der Held nicht anders, als vorrangig anderen und nicht sich selbst zu helfen. Hier wirkt es teilweise so, als würde Nakazawa etwas darstellen wollen, was er vielleicht in seiner eigenen Vergangenheit verpasst hat?!

Die Toten stapeln sich.

Die Toten stapeln sich.

In diesem Band wandelt sich die Darstellung weg vom visuellen Grauen, durch die Bilder eines zerstörten Hiroshima, und den vielen verstrahlten und entstellten Leichen, hin zu einem unterschwelligen, aber dennoch ständig fühlbar präsenten Grauen. Die Angst vor den Auswirkungen der Bombe, die Strahlung, die Vergiftung, das nicht offensichtliche Leiden, sind immerzu spürbar und verbreiten stellenweise mehr Angst, als jede verkohlte Leiche, mit herabhängender Haut, die in den vorangegangenen Bänden zu sehen war. Dies erreicht Keiji Nakazwa vor allem durch die Mimik seiner Protagonisten. Auch wenn viele Gesichter manchmal stark überzeichnet wirken und fast schon slapstickartige Züge annehmen, steht ihnen dennoch die Emotion „ins Gesicht geschrieben“. Das schaffen nicht viele Zeichner. Mit wenigen Strichen so viele Gefühle umzusetzen. Fast wirkt es so, als wären Nakazawas Gefühle durch seine Hände, durch den Stift auf das Papier übertragen worden und hätten dort ganz intuitiv das geformt, was der Künstler gefühlt hat.

FAZIT:

Das wohl Aufregendste an „Barfuss durch Hiroshima“ sind nicht etwa die Erlebnisse und das Wissen um die Folgen und persönlichen Tragödien, sondern das Erlebnis, welches einem beim Lesen überkommt. Immer wieder spürt man als Leser, wie sich einem die Innereien umdrehen. Es ist wie ein brutaler Schlag genau in die Magengrube. Und dennoch kann man die Bände nicht mehr weglegen. So schwer, wie es auch sein mag, es trifft einen so sehr, auch wenn man nicht direkt betroffen ist, dass man das Gefühl erhält, den armen Gen und seine Familie im Stich zu lassen, wenn man die Geschichte zur Seite legt, oder lapidar und halbherzig versucht abzutun. Aufgrund seiner Erzählweise und der grafischen Umsetzung lässt es Nakazawa einfach nicht zu. Vielmehr überträgt er eine Verantwortung auf den Leser. Die Verantwortung aus diesen Ereignissen zu lernen, die Fehler eigenständig zu erkennen und sie keinesfalls zu wiederholen.

Barfuss durch Hiroshima Nr. 4: Hoffnung [Carlsen, August 2005]

Barfuss durch Hiroshima Nr. 4: Hoffnung

Seit dem Bombenabwurf über Hiroshima ist einige Zeit vergangen. Inzwischen sind die Amerikaner in Japan gelandet und machen sich als Besatzungsmacht breit. Dies bekommen auch Gen und seine Familie mehr als deutlich zu spüren. Schnell etablieren sich gewisse Regeln, die wie immer von den Stärkeren gemacht werden. Aber auch Gen ist nicht ohne. Immerhin hat er schon bewiesen, zu was ein Kind in seinem Alter fähig sein kann. Während sich, dank der Amerikaner und ihrer mitgebrachten Waren, ein blühender Schwarzmarkt entwickelt, kämpfen die Nakaokas noch immer um jedes Gramm Nahrung.
Besonders schlimm hat es dabei Gens kleine Schwester Tomoko erwischt. Nicht nur, dass ihre Unterernährung ihren noch jungen Körper massiv schwächt, so wird sie auch von verschiedenen Menschen als Kindsersatz benutzt, und damit auch zum Spielball starker Emotionen von Verlust, Trauer, und Besitzansprüchen. Das kleine Mädchen schafft es, selbst denen wieder Mut zu geben, welche sich schon lange aufgegeben, und ihren Körper dem Verfall durch die Strahlung kampflos überlassen haben.
Und so versuchen nicht nur Gen und seine Familie alles Mögliche, um zu überleben, sondern auch Freunde, neue Klassenkameraden sowie deren Angehörige und Verwandte, und finden so manche Möglichkeit, sich durch das harte Leben zu schlagen. Mal mehr, mal weniger erfolgreich, und manchmal auch unter dem Einsatz von Menschenleben, sofern es nicht das Eigene ist …

Die Hoffnung, welche noch im letzten Band so sehr im Vordergrund stand, wird dieses Mal immer wieder mit Füßen getreten. Dabei kommen einem, als Leser, immer wieder die Worte von Gens Vater aus dem ersten Band in den Kopf. „Gen. Du musst wie der Weizen sein. Treibe starke Wurzeln in die Wintererde … Trotze Wind und Schnee, so sehr man dich auch niedertritt, und wachse dick und gerade, wie der Weizen auf dem Feld!“ Und Gen trotzt allem, was ihm entgegenschlägt. Keine Tragödie, kein Schicksalsschlag kann ihn davon abbringen, doch noch irgendwo etwas Gutes in seinem Leben zu finden. Denkt man. Denn plötzlich passiert etwas, was den sonst so fröhlichen Jungen vollkommen aus der Bahn wirft. Nakazawa präsentiert dies, wie bereits in den vorangegangenen Ausgaben, mit einer Intensität die einfach nur unfassbar ist. Man spürt förmlich die Emotionen und wird trotz der Distanz an Zeit und Raum regelrecht mitgerissen und dabei von den Ereignissen gefangen genommen.

Auch Milch kann die kleine Tomoko nicht retten.

Auch Milch kann die kleine Tomoko nicht retten.

Diesem Band ist schon deutlich anzumerken, dass „Hadashi no Gen“ über einen Zeitraum von insgesamt 12 Jahren entstanden ist. Denn obwohl Nakazawa bereits zuvor eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Mangas, u.a. auch zum Thema Krieg und Hiroshima, veröffentlicht hat, steigert sich sein Stil sichtbar. Während die ersten Bände noch vorwiegend mit dominanten Strichen durchzogen waren, sind es nunmehr die filigranen Details, welche die Oberhand gewinnen. Außerdem ist die Bildsprache bis auf wenige Ausnahmen fast ausschließlich mit einer positiven Energie behaftet, so das selbst die Bilder von verbrannten Leichen nicht schrecklich und traurig, sondern eher hoffnungsvoll, mit einem energischen Blick in die Zukunft, wirken. Und noch etwas führt Energie mit sich, das sich durch alle Bände zieht: Denn es gibt ein Objekt, welches von Band eins bis zum vorliegenden Band über allem thront: Die Sonne. Von Beginn an ist sie ein ständiger Begleiter Gens und seiner Tragödie und steht hierbei nicht nur für den Lebensspender, sondern auch für die stilisierte Sonne auf der japanischen Flagge.

FAZIT:

Mit diesem letzten Band legt Carlsen den Kern von Keiji Nakazawas Werk auf Deutsch vor. Auf insgesamt 1128 Seiten schildert Nakazawa seinen Kampf gegen den Krieg, das Überleben und die Tragödie, die ihn für sein Leben prägte. Im Original ist „Hadashi no Gen“ über 2500 Seiten stark. Dennoch reicht bereits diese Version, um das Leiden zu verdeutlichen. Das vollständige Werk liegt bisher nur original in Japanisch, sowie in Englisch vor, und umfasst mehr als 10 Bände. Dennoch hat man als Leser niemals das Gefühl, dass etwas fehlt, wenngleich gewisse Sprünge in der Handlung schon erkennbar sind.
Insgesamt muss ich sagen, dass „Barfuss durch Hiroshima“ in meinen Augen ein Werk ist, welches man gelesen haben sollte. Mehr noch sollte es, ebenso wie „Maus“, zu einem Standardwerk in der Schulbildung werden, denn kaum ein anderes Werk zeigt die Auswirkungen und Ängste der Atombombe so deutlich und eindrucksvoll, wie dieses.

Barfuss durch Hiroshima (2-DVD Deluxe Edition) [Anime Virtual, April 2006]

DVD Barfuss durch HiroshimaBarfuss durch Hiroshima (2-DVD Deluxe Edition)

Neben dem Manga widerfuhr „Hadashi no gen“ auch noch die Ehre, als Anime adaptiert zu werden. Zwei Filme wurden hierbei vom renommierten Studio MadHouse (u.a. „Perfect Blue“, „Metropolis“, „Tokyo Godfathers“) realisiert.

Gen, noch unbeschwert.

Gen, noch unbeschwert.

Der erste Film orientiert sich dabei noch sehr stark am gleichnamigen Manga, welcher auch in gekürzter Fassung auf deutsch vom Carlsen Verlag vorliegt. Dies bedeutet aber auch, dass in den knapp 90 Minuten sehr vieles, sehr stark gerafft wird. Die Vorgeschichte, die sich um die Familie Nakaoka dreht, wurde vereinfacht. Einige Familienmitglieder, welche Leser der Vorlage bekannt sind, wurden erst gar nicht erwähnt. Auch wurden Handlungsbögen ersatzlos gestrichen. Diese sind zwar für die Geschichte an sich nicht essenziell, geben dem Manga aber eine ganz andere Aussage. Nakazawa gibt in der Vorlage nicht alleine den Amerikanern die Schuld an der Tragödie, sondern gleichermaßen dem japanischen Kaiser und dem Militär. Diese haben mit ihrer Sturheit und falschen Nationalstolz die Reaktion der Amerikaner nur herausgefordert. Im Anime jedoch wird die Schuld alleinig den Amerikanern zugeschoben.

Gen schwört seinem Vater, dass er kämpfen und leben wird.

Gen schwört seinem Vater, dass er kämpfen und leben wird.

Dass Gens Vater auch ein Antikriegs-Verfechter war, bleibt unerwähnt. Die Persönlichkeiten der Familie werden somit nicht einmal ansatzweise so ausgeprägt dargestellt, wie es in der Mangavorlage der Fall ist. Vielmehr liegt der Fokus des Anime auf der eigentlichen Tragödie. Dem Bombenabwurf. Dieser wird auch so eindringlich umgesetzt, dass es einem beim Zusehen die Sprache verschlägt. Grelle Farben, absolute Stille und Zeitlupen, in denen den Menschen das Fleisch von den Knochen geschält wird.

Nach der Detonation...

Nach der Detonation…

Und auch nach dieser Tat liegt der Fokus nur auf den Auswirkungen. Während Gen im Manga immer wieder Situationen erlebte, welche ihn aufmunterten, oder seine eigene Kraft herausforderten dreht sich hier alles nur um die Strahlenopfer und deren langsames Sterben. Dabei lässt es sich nicht vermeiden, dass einem zum Ende hin die Tränen kommen. Auch wenn es wenige emotionale Elemente gibt, sind diese dafür umso gelungener umgesetzt.

Tomoko ist tot.

Tomoko ist tot.

Film Nummer zwei setzt wenige Jahre nach dem Abwurf ein. Gen lebt noch immer mit seiner Mutter und dem jungen Waisenkind Ryûta in einer provisorischen Hütte. Nahrungsmittel sind nach wie vor knapp, auch wenn die Amerikaner die stark dezimierten Bewohner inzwischen mit Lebensmitteln zu versorgen versuchen. Dieser Film an sich ist qualitativ zwar besser als sein Vorgänger, aber die Story ist dafür umso ausgewaschener. Wenn man von Gen, seiner Mutter und Ryûta absieht, finden sich kaum Bezugspunkte zu Teil eins. Auch die im Manga so oft vertretenen GI’s und Yakuza tauchen nur gelegentlich, und auch dann nur am Rande auf. Die Abenteuer, welche Gen erlebt, werden auf ein Minimum reduziert, und beschränken sich lediglich auf eine Gruppe mit Kindern.
Dem Gegenüber steht aber noch immer die möglichst detaillierte Darstellung des Grauens nach dem Abwurf. Das Leiden der Menschen, aber nur in ihren sichtbaren Auswirkungen. Verbrennungen und Verstümmelungen sind an der Tagesordnung. Die innere Zerrissenheit und die psychische Belastung hingegen werden kaum thematisiert.

Die Amerikaner sind an allem schuld.

Die Amerikaner sind an allem schuld.

Auch hat man ständig das Gefühl, dass der Film sich nicht wirklich mit Nakazawas Grundwerk, sondern mehr mit einer propagandistischen Antiamerika-Thematik auseinandersetzt. Als dann der Film sehr schnell zu einem Ende kommt, hat man auch als Zuschauer nicht wirklich das Gefühl etwas verpasst zu haben. Zu sehr ist aus dem zweiten Film ein typischer Zweiter Weltkriegsfilm geworden, ohne jegliche Intention eine persönliche Tragödie erzählen zu wollen. Stattdessen wird einem von der ersten bis zur letzten Minute eingetrichtert, dass Amerika schlecht und Japan nur ein unschuldiges kleines Land. Niemand, auch ich nicht, will die Thematik herunterspielen, und die Unschuldigsten sind in diesem Fall noch immer die Menschen der Zivilbevölkerung gewesen, aber nur einer Nation, in diesem Fall den Amerikanern, die Schuld zuzuweisen, ist blauäugig und fern jeglicher Wahrheit.

Das Beseitigung der Opfer mit Maschinen.

Das Beseitigung der Opfer mit Maschinen.

„Barfuss durch Hiroshima“ Teil 1 und Teil 2 sind so verschieden, wie sie es kaum sein könnten. Während Teil 1 wenigstens noch einen Hauch von Nakazawas Erzählung beherbergt, schwimmt Teil 2 nur auf der Welle seines Vorgängers mit. Zwar wurde im Gegensatz zum ersten Teil ein Fortschritt in der Animationstechnik gemacht, aber das rettet den Film bei Weitem nicht. Leider liegen beide Filme auch nur im Original japanischem Stereoton auf den DVDs vor. Eine deutsche Synchronisation gibt es nicht und wird es wohl auch nicht geben. Der Grund ist so einfach wie traurig: Es gibt keinen Master mehr mit getrennten Bild- und Tonspuren. Dadurch ist es nicht, oder nur mit sehr schwierigem und kostenintensivem Aufwand möglich, den Film nachzusynchronisieren.

Gens Mutter stirbt in seinen Armen.

Gens Mutter stirbt in seinen Armen.

Doch dank der sehr gelungenen und mit viel Herzblut übersetzten Untertitel ist er für den deutschen Markt lokalisiert worden. Besonders hervorzuheben ist noch das 56 Seiten starke Booklet, welche der DVD-Box beiliegt. Darin werden nicht nur die beiden Filme und die Mangavorlage ausführlich beschrieben, sondern es wird auch auf die Geschichte von Hiroshima eingegangen. Auch wie sich diese Tragödie in Wort und Bild niederschlug, wird ausführlich thematisiert. Ebenfalls bekommt der Autor Keiji Nakazawa einen umfassenden Artikel spendiert. Abgerundet wird das Booklet mit einem Auszug aus dem Original Manga.

Vor der Bombenkuppel.

Vor der Bombenkuppel.

Wer sich vorsichtig an Nakazawas Meisterwerk herantasten möchte, wird mit der DVD gut unterhalten. Danach sollte aber zwingend der Manga als Lektüre auf dem Nachttisch landen, denn dieser ist im direkten Vergleich um Längen besser. Hat man aber bereits die Vorlage gelesen, wird man von diesen beiden Filmen mehr als enttäuscht. Das Einzige, was der Film, in diesem Fall der Erste, der Printversion voraus hat, ist die eindringliche Darstellung des Bombenabwurfs und deren Detonation. Alles andere bleibt weit hinter dem Originalwerk zurück.