Barfuss durch Hiroshima Nr. 2: Der Tag danach
Hiroshima liegt in Schutt und Asche. Überall streifen schwer verwundete umher. Verwirrt, verletzt und auf der Suche nach Wasser und Hilfe. Gen kann das Ausmaß der Tragödie noch gar nicht begreifen, als seine Mutter Kimie ihn bittet, sich auf die Suche nach ein wenig Reis zu machen. Denn wenn er keinen Reis auftreiben kann, dann würde seine gerade erst geborene Schwester sterben müssen. Also nimmt Gen all seinen Mut zusammen und macht sich auf die Suche nach etwas Nahrung.
Unterwegs trifft er dabei auf einen Soldaten, der erst ihn retten will, aber binnen kürzester Zeit selber Hilfe benötigt. Auch ein Mädchen, welches Gens Schwester Eiko verblüffend ähnlich sieht, kreuzt seinen Weg, und abermals hilft Gen bereitwillig. Doch auch diesmal ist dem Mädchen nicht ganz so einfach zu helfen, wie es anfangs scheint. Aber Gen hat noch immer keinen Reis und so geht seine Reise weiter. Immer mehr Opfer dieses feigen Anschlages begegnen ihm dabei und noch viel mehr Tragödien …
In der Einleitung und auch im abschließenden ersten Teil des Interviews macht Keiji Nakazawa deutlich, dass „Hadashi no Gen“, so der originale Titel, nicht einfach nur eine Bewältigung mit der eigenen Vergangenheit ist, sondern auch ein Mahnmal und eine Warnung. Nie wieder soll eine solche Massenvernichtung stattfinden und nie wieder, sollen unschuldige Menschen unter der Gier und dem falschen Stolz einer machtbesessenen Regierung leiden müssen. Das war und ist der Hauptgrund für sein Werk gewesen. Er hat immer wieder, ganz bewusst, Stellen eingebaut, in denen Gen gegen die Tat der Amerikaner und das Verhalten der japanischen Regierung schimpft und diese an den Pranger stellt. Und trotzdem schwingt in dieser Ausgabe sehr viel Hoffnung und auch Freude mit, da Gen niemals aufgibt und selbst in den schlimmsten Situationen noch die Kraft aufbringt, anderen zu helfen.
Was das Grauen angeht, legt Nakazawa in diesem zweiten Band noch eine ganze Schippe drauf. Denn die Bilder haben sich dem Künstler in sein Gehirn gebrannt und dieser brennt sie erneut in das Papier. Es ist überwältigend, wie schlimm die Ereignisse und die nahe Begegnung mit dem nunmehr alltäglichen Tod von Keiji Nakazawa geschildert werden. Und alles, ohne zu sehr auf die Tränendrüse zu drücken. Denn Nakazawa hat trotz allem und auch der Tatsache, dass dies seine eigene Vergangenheit ist, eine fast schon erschreckend distanzierte Erzählweise. Aber, und das muss man anerkennen, ist auch dies beste Wahl gewesen, um diese Erlebnisse umzusetzen. Denn durch diese Entscheidung fällt das Augenmerk nicht alleine auf Gen, auch wenn dieser die Hauptfigur ist, sondern wird immer wieder, auch visuell, von ihm reflektiert und in die Umgebung gelenkt. Oftmals ist Gen nur mit einem Arm, Bein oder dem Hinterkopf im Bild zu sehen, und der Blick wird nur von ihm getragen, aber nicht auf ihn gelenkt.
FAZIT:
Auch „Der Tag danach“, der zweite Band von Keiji Nakazawas monumentalen Epos um das tragischste Ereignis Japans im 20. Jahrhundert, begeistert wieder auf voller Linie. Und das, obwohl sich dieser Band eher ruhig gibt. Er ist nachdenklich und verstörend, und vermittelt dennoch so viel Lebenskraft und Energie, dass es einen im Innersten trifft. Der Autor und Überlebende von Hiroshima schafft es fast, eine Art Tagebuch zu schreiben, und dies spannend und mitreißend zu präsentieren, ohne das Wesentliche aus dem Blickfeld zu verlieren. Die Tragödie und die Vorwürfe gegen zwei Regierungen, die den Krieg und die Auseinandersetzung ganz bewusst und zielgerichtet auf dem Rücken von Unschuldigen ausgetragen haben.

