Barfuss durch Hiroshima (2-DVD Deluxe Edition) [Anime Virtual, April 2006]

DVD Barfuss durch HiroshimaBarfuss durch Hiroshima (2-DVD Deluxe Edition)

Neben dem Manga widerfuhr „Hadashi no gen“ auch noch die Ehre, als Anime adaptiert zu werden. Zwei Filme wurden hierbei vom renommierten Studio MadHouse (u.a. „Perfect Blue“, „Metropolis“, „Tokyo Godfathers“) realisiert.

Gen, noch unbeschwert.

Gen, noch unbeschwert.

Der erste Film orientiert sich dabei noch sehr stark am gleichnamigen Manga, welcher auch in gekürzter Fassung auf deutsch vom Carlsen Verlag vorliegt. Dies bedeutet aber auch, dass in den knapp 90 Minuten sehr vieles, sehr stark gerafft wird. Die Vorgeschichte, die sich um die Familie Nakaoka dreht, wurde vereinfacht. Einige Familienmitglieder, welche Leser der Vorlage bekannt sind, wurden erst gar nicht erwähnt. Auch wurden Handlungsbögen ersatzlos gestrichen. Diese sind zwar für die Geschichte an sich nicht essenziell, geben dem Manga aber eine ganz andere Aussage. Nakazawa gibt in der Vorlage nicht alleine den Amerikanern die Schuld an der Tragödie, sondern gleichermaßen dem japanischen Kaiser und dem Militär. Diese haben mit ihrer Sturheit und falschen Nationalstolz die Reaktion der Amerikaner nur herausgefordert. Im Anime jedoch wird die Schuld alleinig den Amerikanern zugeschoben.

Gen schwört seinem Vater, dass er kämpfen und leben wird.

Gen schwört seinem Vater, dass er kämpfen und leben wird.

Dass Gens Vater auch ein Antikriegs-Verfechter war, bleibt unerwähnt. Die Persönlichkeiten der Familie werden somit nicht einmal ansatzweise so ausgeprägt dargestellt, wie es in der Mangavorlage der Fall ist. Vielmehr liegt der Fokus des Anime auf der eigentlichen Tragödie. Dem Bombenabwurf. Dieser wird auch so eindringlich umgesetzt, dass es einem beim Zusehen die Sprache verschlägt. Grelle Farben, absolute Stille und Zeitlupen, in denen den Menschen das Fleisch von den Knochen geschält wird.

Nach der Detonation...

Nach der Detonation…

Und auch nach dieser Tat liegt der Fokus nur auf den Auswirkungen. Während Gen im Manga immer wieder Situationen erlebte, welche ihn aufmunterten, oder seine eigene Kraft herausforderten dreht sich hier alles nur um die Strahlenopfer und deren langsames Sterben. Dabei lässt es sich nicht vermeiden, dass einem zum Ende hin die Tränen kommen. Auch wenn es wenige emotionale Elemente gibt, sind diese dafür umso gelungener umgesetzt.

Tomoko ist tot.

Tomoko ist tot.

Film Nummer zwei setzt wenige Jahre nach dem Abwurf ein. Gen lebt noch immer mit seiner Mutter und dem jungen Waisenkind Ryûta in einer provisorischen Hütte. Nahrungsmittel sind nach wie vor knapp, auch wenn die Amerikaner die stark dezimierten Bewohner inzwischen mit Lebensmitteln zu versorgen versuchen. Dieser Film an sich ist qualitativ zwar besser als sein Vorgänger, aber die Story ist dafür umso ausgewaschener. Wenn man von Gen, seiner Mutter und Ryûta absieht, finden sich kaum Bezugspunkte zu Teil eins. Auch die im Manga so oft vertretenen GI’s und Yakuza tauchen nur gelegentlich, und auch dann nur am Rande auf. Die Abenteuer, welche Gen erlebt, werden auf ein Minimum reduziert, und beschränken sich lediglich auf eine Gruppe mit Kindern.
Dem Gegenüber steht aber noch immer die möglichst detaillierte Darstellung des Grauens nach dem Abwurf. Das Leiden der Menschen, aber nur in ihren sichtbaren Auswirkungen. Verbrennungen und Verstümmelungen sind an der Tagesordnung. Die innere Zerrissenheit und die psychische Belastung hingegen werden kaum thematisiert.

Die Amerikaner sind an allem schuld.

Die Amerikaner sind an allem schuld.

Auch hat man ständig das Gefühl, dass der Film sich nicht wirklich mit Nakazawas Grundwerk, sondern mehr mit einer propagandistischen Antiamerika-Thematik auseinandersetzt. Als dann der Film sehr schnell zu einem Ende kommt, hat man auch als Zuschauer nicht wirklich das Gefühl etwas verpasst zu haben. Zu sehr ist aus dem zweiten Film ein typischer Zweiter Weltkriegsfilm geworden, ohne jegliche Intention eine persönliche Tragödie erzählen zu wollen. Stattdessen wird einem von der ersten bis zur letzten Minute eingetrichtert, dass Amerika schlecht und Japan nur ein unschuldiges kleines Land. Niemand, auch ich nicht, will die Thematik herunterspielen, und die Unschuldigsten sind in diesem Fall noch immer die Menschen der Zivilbevölkerung gewesen, aber nur einer Nation, in diesem Fall den Amerikanern, die Schuld zuzuweisen, ist blauäugig und fern jeglicher Wahrheit.

Das Beseitigung der Opfer mit Maschinen.

Das Beseitigung der Opfer mit Maschinen.

„Barfuss durch Hiroshima“ Teil 1 und Teil 2 sind so verschieden, wie sie es kaum sein könnten. Während Teil 1 wenigstens noch einen Hauch von Nakazawas Erzählung beherbergt, schwimmt Teil 2 nur auf der Welle seines Vorgängers mit. Zwar wurde im Gegensatz zum ersten Teil ein Fortschritt in der Animationstechnik gemacht, aber das rettet den Film bei Weitem nicht. Leider liegen beide Filme auch nur im Original japanischem Stereoton auf den DVDs vor. Eine deutsche Synchronisation gibt es nicht und wird es wohl auch nicht geben. Der Grund ist so einfach wie traurig: Es gibt keinen Master mehr mit getrennten Bild- und Tonspuren. Dadurch ist es nicht, oder nur mit sehr schwierigem und kostenintensivem Aufwand möglich, den Film nachzusynchronisieren.

Gens Mutter stirbt in seinen Armen.

Gens Mutter stirbt in seinen Armen.

Doch dank der sehr gelungenen und mit viel Herzblut übersetzten Untertitel ist er für den deutschen Markt lokalisiert worden. Besonders hervorzuheben ist noch das 56 Seiten starke Booklet, welche der DVD-Box beiliegt. Darin werden nicht nur die beiden Filme und die Mangavorlage ausführlich beschrieben, sondern es wird auch auf die Geschichte von Hiroshima eingegangen. Auch wie sich diese Tragödie in Wort und Bild niederschlug, wird ausführlich thematisiert. Ebenfalls bekommt der Autor Keiji Nakazawa einen umfassenden Artikel spendiert. Abgerundet wird das Booklet mit einem Auszug aus dem Original Manga.

Vor der Bombenkuppel.

Vor der Bombenkuppel.

Wer sich vorsichtig an Nakazawas Meisterwerk herantasten möchte, wird mit der DVD gut unterhalten. Danach sollte aber zwingend der Manga als Lektüre auf dem Nachttisch landen, denn dieser ist im direkten Vergleich um Längen besser. Hat man aber bereits die Vorlage gelesen, wird man von diesen beiden Filmen mehr als enttäuscht. Das Einzige, was der Film, in diesem Fall der Erste, der Printversion voraus hat, ist die eindringliche Darstellung des Bombenabwurfs und deren Detonation. Alles andere bleibt weit hinter dem Originalwerk zurück.

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