Es mag ein wenig dramatisch klingen, doch es ist nicht von der Hand zu weisen. Als am 5. November 1977 René Goscinny an den Folgen eines Herzinfarktes verstarb, traf dies nicht nur seine Familie und Freunde, sondern auch sein kreatives Kind Asterix. Auch wenn sein bester Freund und langjähriger Wegbegleiter Albert Uderzo das gemeinsame Erbe versuchte weiterzuführen, war es nie mehr dasselbe, wie zuvor. In diesem kleinen Special möchte ich ein wenig auf diesen Ausnahmekünstler eingehen, der die europäische Comiclandschaft, allen voran den Bereich der frankobelgischen Comics, massiv geprägt hat, wie nur wenige andere.

Auf seiner alten Maschine, die Goscinny aus den USA mitbrachte und von der er sich nie trennte, tippte er die Skripte im Zweifinger-System
Geboren wurde René Goscinny am 14. August 1926 in Paris, verbrachte aber einen Großteil seiner Jugend in Buenos Aires, wohin seine Eltern mit ihm 1928 zogen. Seine Begeisterung für die Comics erwachte bereits vor der Grundschule, was aber weder seine Eltern noch Erzieher und Lehrer wirklich interessierte. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1945 zog es den jungen Goscinny nach New York, wo er mit seiner Zeichenmappe bei vielen verschiedenen Verlagen vorstellig wurde, aber immer wieder abgelehnt wurde. Also nutzte er die Zeit und leistete seinen Wehrdienst und versuchte es danach weiter bei verschiedenen Werbeagenturen und Verlagen. Doch noch immer wurde sein Talent nicht erkannt. Goscinny hielt sich mit verschiedenen Tätigkeiten über Wasser und lernte nach einiger Zeit Harvey Kurztman kennen, der später mit MAD einen großen Erfolg verzeichnen durfte. Mit ihm, Jack Davis, Willy Elder und vielen anderen arbeitete er dann eine ganz Zeit lang gemeinsam in einem Studio, bevor er 1950 Maurice de Bevère (besser bekannt als Morris) kennenlernte.
Daraufhin beschloss Goscinny nach Belgien zu ziehen, und dort sein Glück zu versuchen. Schon innerhalb kürzester Zeit avancierte er zu einem der besten Texter und arbeitete mit Morris an „Lucky Luke“, mit Sempés an „Der kleine Wicht“, für Attanasio an „Signor Spaghetti“ und zusammen mit Albert Uderzo an „Oumpah-Pah“. Außerdem entsanden weitere Szenarien für Jijé, Macherot, Tibet und viele weitere Künstler.
Doch schon im Jahre 1958 kam Goscinny bei einigen Verlagen auf die „schwarze Liste“, weil er versuchte für Comic-Agenturen einige Rechtsgrundlagen zu schaffen. Goscinny war diese „Einschränkung“ jedoch egal. Zusammen mit Jean-Michel Charlier, Jean Hebrard und seinem Freund Albert Uderzo gründete er zwei Gesellschaften, von denen sich eine um Comics drehte und die andere um Werbung. Nur knapp ein Jahr später hoben diese Vier das Wochenmagazin „Pilote“ aus der Taufe, welches später an Dargaud verkauft wurde. Bis zum Jahr 1974 war René Goscinny die Seele von „Pilote“, für das er auch zusammen mit Albert Uderzo seinen größten Erfolg „Asterix“ schuf, der sich inzwischen zu dem wohl erfolgreichsten französischen Comichelden etabliert hat. Aber auch mit anderen Künstlern feierte er Erfolge. Mit Tabary gestaltete er „Iznogoud“, mit Gotlib „Dingodossier“ und mit Cabu „Potachologie“.
Das Leben von Goscinny war ein Leben voller Hochs und vieler Tiefs. Der Mann, der auszog, um als Zeichner sein Geld zu verdienen, wurde einer der einflussreichsten Autoren unserer Zeit und wurde im Jahr 1967 sogar vom damaligen Kulturminister André Malraux zum „Ritter der Künste ud Wissenschaft“ ernannt.
Bis zu jenem schicksalhaften Tag, im November 1977. Albert Uderzo kam nach einer Reise aus der Provinz nach Hause und fand seine Frau Ada in Tränen aufgelöst vor. René ist tot. Für Albert kam diese Nachricht, wie auch für alle anderen, vollkommen unerwartet und veränderte sein Leben für immer:
„Der Schock war entsetzlich. Sprachlos und keiner Gedanken fähig, schloß ich mich mit meinem Schmerz und meiner Trauer ein. Meine Frau und meine Tochter hielten die Journalisten von mir fern, die etwas über meine Reaktionen und Gefühle erfahren wollten. Einige wollten unbedingt eine Zeichnung vom tränenumflorten Asterix auf der Titelseite bringen. War nicht Micky Maus einige Jahre zuvor das Vorbild? Aber diesmal mochte ich Mickys Beispiel nicht folgen.
René und ich waren 26 Jahre lang befreundet gewesen. Alles hatten wir geteilt, Mißerfolg und Ruhm. Gemeinsam hatten wir unter den denkbar schlechtesten Bedingungen gearbeitet, oft war die Arbeit enttäuschend und schlecht bezahlt. Wir hatten wirklich beide bei Null angefangen. Immerhin aber hatte ich noch meine Familie, meine Eltern. Meine Mutter steckte mir morgens beim Weggehen immer große belegte Brote in die Tasche, die ich dann mit ihm teilte. René war ganz allein in Paris. Ich hatte mich nicht getraut, ihn in meinen Freundeskreis einzuführen. Meine Freunde waren von einfacher Herkunft und sehr ungezwungen, sehr pariserisch eben. Seine natürliche Zurückhaltung, ja, seine Schüchternheit, gaben ihm in meinen Augen den gutbürgerlichen Anstrich eines Sohnes aus gutem Hause, der nicht so recht zu meinen freunden paßte. Erst viel später wurde mir klar, wie sehr ich mich getäuscht hatte: René war ein herzlicher Mensch, der – wenn auch zurückhaltend – mit Wärme auf alle ehrlichen Freundschaftsbeweise reagierte. Ich habe im nachhinein bedauert, ihn nicht mit meinen Kameraden bekanntgemacht zu haben.
Der Erfolg von Asterix und den anderen Serien, denen er sich mit seiner Leidenschaft, seiner Empfindsamkeit und seinem Talent verschrieben hatte, trug ihn ins Rampenlicht. Weil er so einsam gewesen war, genoß er Öffentlichkeit und gesellschaftliche Verpflichtungen wohl mehr als ich. Er heiratete 1967 im Alter von 40 Jahren. Ien Jahr später machte eine Tochter die Familie vollständig.
René mochte das Landleben nicht. Freilich bemühte er sich lobenswert und kam oft zu mir zu Besuch. Da er sich nicht damit abfinden konnte, mich dort auf dem Land begraben zu sehen, schenkte er mir eines Tages einen Zebrastreifen, um mich dadurch immer an die Stadt zu erinnern! Er führt jetzt über eine Allee bei mir. Das ist der einzige mir bekannte Fußgängerüberweg, der von nirgendwo nach nirgendwo führt. Er sprach auch davon, mir eine Straßenlaterne zu schenken, und wollte sogar die dazugehörige Lilli Marleen beschaffen!“ (1)
Anders als Rene Goscinny, der das Meer über alles liebte, fröhnte Uderzo lieber dem Rennsport. Er besaß einen eigenen Ferrari, den er am liebsten auf dem Kurs von Castellet, der extra für den französischen Ferrari-Club hergerichtet wurde, an seine Grenzen brachte:
„Einmal hatte ich René eingeladen, mich zur Rennstrecke von Castellet zu begleiten. Mich am Steuer eines Renn-Ferraris zu sehen beeindruckte ihn zwar sehr, aber er verstand nicht, wie ich Spaß daran empfinden konnte. Als ich aus dem Wagen stieg, empfing er mich mit den Worten: ‚Nimm doch gleich einen Revolver. Das ist sauberer!‘ Das war am 25. September 1977, 40 Tage vor dem Drama.“ (2)

Dieses Bild erschien im November 2002 zum 25. Todestag von Goscinny als Teil einer 8-seitigen Beilage zu einer auf 2500 Stück limitierten Sonderausgabe von „Asterix bei den Belgiern“ deren sämtliche Einnahmen wohltätigen Zwecken gespendet wurden.
„Es war immer mein Wunsch, Goscinny zu würdigen, weil er es verdient. (…) Er fehlt uns, er fehlt mir, mein Leben als Künstler ist seit seinem Tod nicht mehr dasselbe. Diese Tragödie, mit der niemand gerechnet hatte, hat mich tief getroffen.“
Albert Uderzo, Interview zum 90. Geburtstag
Anlässlich des 40. Todestages gibt es in Paris zwei Ausstellungen: Das Museum für Jüdische Kunst und Geschichte zeigt die erste Retrospektive für den Drehbuchautor und Schriftsteller René Goscinny. Le musée de la cinémathèque präsentiert eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem René Goscinny Institute, 40 Jahre nach dem Tod ihres Schöpfers sind Asterix, Lucky Luke, Dalton, Iznogoud und Little Nicholas zu eigenen Charakteren geworden.
Noch bis zum 04. März 2018 können Goscinny-Fans die beiden Ausstellungen in Paris besuchen. (3)
(1) Zitat aus „Uderzo – Der weite Weg zu Asterix“ – Seite 173
(2) Zitat aus „Uderzo – Der weite Weg zu Asterix“ – Seite 175
(3) Zitat aus der offiziellen Pressemitteilung der Egmont Ehapa Media GmbH
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